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„Arisierung“ – Eine Stück deutscher Geschichte, oder wirksam bis heute?

(lifePR) (Bad Berka, )
Gestern wurde im Saal des Jugend- und Kulturzentrums mon ami der Film „Menschliches Versagen“ von Michael Verhoeven gezeigt. Der Film belegt, in welchem Ausmaß auch die zivile Bevölkerung in Nazi-Deutschland zum Akteur und Profiteur der systematischen Beraubung und Ermordung der deutschen und europäischen Juden geworden ist.

Nach dem Film diskutierten auf dem Podium der Regisseur des Films, der Arisierungsforscher Prof. Dr. Wolfgang Dreßen, der Direktor des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung (ThILLM) Dr. Andreas Jantowski, der Leitende Archivdirektor des Staatsarchivs Weimar Dr. Bernhard Post sowie Armin Flesch, inwieweit die Folgen der Arisierung bis heute in der Gesellschaft wirken und wie die schulische Vermittlungsarbeit diese Thematik aufgreifen kann. Den Abend moderierte Dr. Michael Grisko, Referent der  Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und Vorstandsmitglied von Cinegraph Babelsberg e.V..

Nicht nur im „Gau Thüringen“ selbst, auch über dessen Grenzen hinaus waren Thüringer Nationalsozialisten an der „Arisierung“ – der planmäßigen Enteignung deutscher und europäischer Juden – maßgeblich beteiligt. Den ebenso spektakulären wie exemplarischen Fall, bei dem Vertraute des Thüringer Gauleiters Fritz Sauckel die Fäden zogen, beleuchtete der Journalist Armin H. Flesch in seinem Vortrag „Die Erben der Arisierung“:  Die „Arisierung“ der Flesch-Werke AG in Frankfurt am Main, der vor Beginn des Films stattfand.

Hauptakteure waren Otto Eberhardt, NSDAP-Gauwirtschaftsberater in Thüringen, und Carl Goetz, Chef der Dresdener Bank. Eberhardt, Goetz und Sauckel hatten die Zeit des Ersten Weltkriegs in einem französischen Internierungslager verbracht und sich angefreundet. Nach 1933 saßen sie an den Schaltstellen von Wirtschaft und Politik – den Schaltstellen der „Arisierung“. Notwendige Informationen lieferte ihnen unter anderen Dr. Rudolf Schwarz, Mitinhaber des Chemnitzer Chemie-Unternehmens Zschimer & Schwarz und Leiter eines Z&S-Zweigwerks in Greiz-Dölau. Dort war Schwarz zugleich NSDAP-Kreiswirtschaftsberater für den Landkreis Greiz.

Herbert Flesch – jüdischer Hauptaktionär und Vorstand der Frankfurter Flesch-Werke AG – wurde durch die Kündigung von Bankkrediten, gezielte Anschuldigungen und Untersuchungshaft sowie durch die Androhung von KZ-Haft zur Emigration gezwungen und schließlich 1937 ausgebürgert. Nach der erfolgreichen „Arisierung“ seines Unternehmens durch die Dresdner Bank ging das Frankfurter Fabrikgelände an Adler, einen bedeutenden Fahrzeug- und Büromaschinenhersteller. Eine weitere Fabrik der Flesch-Werke AG in Lahnstein am Rhein übernahmen Carl Goetz und Otto Eberhardt. Nach dessen Tod im Jahr 1939 kam sie in den Besitz von Zschimmer & Schwarz.

Der in Frankfurt am Main lebende Journalist Armin H. Flesch begann seine Recherchen zur „Arisierung“ mittelständischer Familienunternehmen und den Umgang der heutigen Inhaber mit diesem Erbe im Jahr 2014 und besuchte dazu bislang 16 deutsche und fünf ausländische Archive, unter anderem die Thüringischen Landesarchive in Weimar und Greiz. Mit den einstigen Inhabern der Flesch-Werke AG ist er nicht direkt verwandt, allerdings reicht die gemeinsame Wurzel beider Familienzweige weit ins 17. Jahrhundert und das Haus „Flasche“ der Frankfurter Judengasse zurück.

Zum Vortrag wird die Ausstellung „Arisierung in Thüringen gezeigt. Sie wurde von einer studentischen Projektgruppe am Historischen Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen sowie der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen erarbeitet. Ergänzt wurde die Ausstellung an vielen Orten in Thüringen durch das Engagement von Schulklassen, die der „Arisierung“ vor Ort nachgingen und Tafeln hinzufügten. Alle Tafeln und Begleitmaterialien zur Ausstellung sind im Thüringer Schulportal unter dem Stichwort "Arisierung in Thüringen" kostenfrei abrufbar. Die Ausstellung selbst kann auch über das ThILLM an Schulen ausgeliehen werden.
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