Im Reich von König Rabadan.
Rabadan | Bellinzona
Bellinzona ist eine Hochburg des Karnevals. Am Rabadan (der Dialektausdruck bedeutet "Lärm") feiern jeweils über 150'000 Menschen ausgelassen auf den Strassen und in den Festzelten, womit Bellinzona nebst Basel und Luzern einen der grössten Karnevale der Schweiz hat. Das närrische Treiben beginnt am Schmutzigen Donnerstag (12. Februar 2015), wenn Bellinzonas Stadtpräsident die Schlüssel der Stadttore an Seine Majestät König Rabadan übergibt. Danach haben im Tessiner Kantonshauptort fünf Tage lang die Narren das Sagen.
Höhepunkt des Rabadan, der heuer zum 152. Mal stattfindet, ist der Umzug vom Sonntag. Am sogenannten Corteo mascherato nehmen über fünfzig Wagen und Gruppen teil. Elementare Bestandteile des Rabadan sind ferner Maskenwettbewerbe, eine Talentschau, Seilziehturniere, Guggenkonzerte und ein Risotto-Essen. Für Speis und Trank ist in den zahlreichen Festzelten gesorgt, die Platz für über 40'000 Personen bieten. Bis in die frühen Morgenstunden wird in der "Festhütte Bellinzona" ausgelassen gefeiert.
Freie Republik in der Grenzstadt.
Nebiopoli | Chiasso
Mächtig auf den Putz gehauen wird während der Fasnacht auch in der Grenzstadt Chiasso. Dort regiert während den närrischen Tagen kein Monarch, sondern der Premierminister der Freien Republik Nebiopoli.
Unter seiner Regie verwandeln Maskengruppen und Guggenmusiker die Strassen von Chiassos Zentrum in ein Vergnügungsviertel. Der Höhepunkt findet jeweils am Fasnachtsdienstag statt, also kurz vor der Rückkehr des Alltags: Am Nebiopoli-Umzug sorgen zahlreiche Wagen, Gruppen und Orchester für ein buntes und lautes Spektakel.
Risotto für alle.
Carnevale | Tessin
Spurenelemente der religiösen Bedeutung des Karnevals - eine letzte Völlerei vor der Fastenzeit - findet man im Tessin noch beim Risotto-Essen unter freiem Himmel. Dieser Brauch wird nicht nur in Städten wie Lugano und Ascona gepflegt, sondern auch in vielen kleinen Dörfern. Insgesamt gibt es in rund hundert Gemeinden eine Risottata - häufig zum Nulltarif. Die Tradition entstand im 19. Jahrhundert als Wohltätigkeitsgeste der Reichen an die Armen, die sich damals den teuren Reis nicht leisten konnten.
Der längste Karneval.
Carnevale ambrosiano | Tesserete, Biasca, Brissago
Während die Fasnacht nach römischem Ritus am Aschermittwoch ein abruptes Ende findet, geht es anderswo an diesem Tag erst los. Denn in der Region Tre Valli (Leventina, Blenio-Tal, Biasca), im Hinterland von Lugano (Tesserete) und in Brissago am Lago Maggiore wird die ambrosianische Fasnacht gefeiert. Der Legende nach sollen sich diese Orte dem römischen Ritus widersetzt haben, um die vierzigtägige Fastenzeit (die am Aschermittwoch beginnt) zu verkürzen.
Fakt ist, dass diese Gebiete im Mittelalter zum Bistum Mailand gehörten, während die übrigen Regionen des heutigen Tessins dem Bischof von Como unterstanden. Obwohl das Tessin seit 1888 eine eigene Diözese ist, erleben die alten Bistumsgrenzen während der Narrenzeit eine Renaissance.
So wird der Tessiner Karneval an einigen Orten nach ambrosianischem und in anderen nach römischem Ritus gefeiert. Früher sorgte diese Konstellation oft für Zündstoff. Dorfpfarrer, die dem Bistum Como unterstanden, sprachen von einem "Missbrauch" und verboten ihren Schäfchen ausdrücklich, während des Karnevals einen Fuss auf ambrosianisches Terrain zu setzen.
Tempi passati! Doch dank diesem historischen Erbe dauert der Karneval heute nirgends länger als im Tessin!
Kulinarische Renaissance.
Ravioli di carnevale | Tessin
In einigen ländlichen Gegenden des Tessins hat die Fasnacht eine ganz spezielle Duftnote: sie riecht nach süssem Gebäck. So haben beispielsweise die Ravioli di carnevale aus dem Muggio-Tal eine kulinarische Renaissance erlebt. Das Jahrhunderte alte Rezept für diese süssen, frittierten und mit Käse angereicherten Maultaschen kannten in den Dörfern Muggio, Bruzella, Cabbio und Scudellate nur noch wenige Einheimische, ehe sich die Slow-Food-Bewegung vor einigen Jahren für den Erhalt der Tradition einzusetzen begann.
Eine andere Art von Raviöö da carnevaa geniesst man in Tesserete, wo die Süssspeise mit trockenen Zwetschgen oder Marmelade gefüllt ist. Diese werden ebenso nur während der Karnevalszeit zubereitet wie die Tortelli di carnevale von Pazzallo bei Lugano, ein Gebäck, das mit Trauben und Grappa angereichert ist.