Stetter-Karp erinnert an das 1995 ausgehandelte Schutzkonzept, das für das ZdK „höchste Priorität“ habe. „Wir sehen in der doppelten Anwaltschaft für die Mutter und das ungeborene Kind einen auch im europäischen Vergleich sehr wirksamen Ansatz, um der Selbstbestimmung von Frauen und dem Schutz des Lebens bestmöglich gerecht zu werden.“ In Deutschland sinke die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche kontinuierlich. So habe es 1996 noch mehr als 130.000 Abbrüche gegeben, 2020 dagegen weniger als 100.000. „Viele europäische Länder haben prozentual deutlich höhere Abbruchzahlen als Deutschland. In Ländern mit restriktiver gesetzlicher Lage wie in Polen sind zudem hohe Dunkelziffern zu vermuten“, sagt die ZdK-Präsidentin.
Das ZdK begrüße deshalb jene Passagen des jetzigen Gesetzentwurfs, „die ausdrücklich bestätigen, dass das grundrechtlich gebotene Schutzkonzept unberührt bleiben wird“. Die Arbeit der Beratungsstellen müsse auch künftig umfassend finanziell abgesichert werden, die Beratungsangebote müssten weiter ausgebaut werden.
Eine mögliche Streichung des Paragrafen 219a mit seinem bislang gültigen Verbot der so genannten Werbung für den Schwangerschaftsabbruch dürfe dem bleibenden Schutz von Mutter und ungeborenem Kind nicht im Wege stehen. „Ich plädiere aber unbedingt für wirklich erreichbare, umfassende Informationen zum Schwangerschaftsabbruch. Ärzt*innen sind bis heute einem strafrechtlichen Risiko ausgesetzt, wenn sie sachliche Informationen öffentlich zur Verfügung stellen. Das sollte künftig nicht mehr so sein“, sagt die ZdK-Präsidentin. „Es müssen Lösungen dafür gefunden werden. Ob diese ausschließlich in einer Streichung des Paragrafen 219a bestehen, wage ich zu bezweifeln. Man könnte den Paragrafen stattdessen umformulieren, um Ärzt*innen eine rechtssichere Information über Abbruchmethoden zu ermöglichen.“
Relevant sei es, die Folgen der möglichen Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a zu prüfen. Es müsse evaluiert werden, ob Frauen im Schwangerschaftskonflikt durch die erweiterten Möglichkeiten zur sachlichen Information tatsächlich erreicht würden. Ebenso sei zu prüfen, ob es in der Folge einer Streichung nicht doch zu „anstößiger Werbung“ für einen Abbruch komme.
Das ZdK hatte bereits am 16. Februar eine Stellungnahme gegenüber dem Justizministerium abgegeben. Dieses hatte seinen Referenten-Entwurf zur möglichen Streichung des Paragrafen 219a am 25. Januar 2022 veröffentlicht.