Seit Jahrtausenden werden Lebensmittel mit Rauch behandelt. Neben des wichtigen Haltbarmachens trägt das Räuchern auch zu einem einzigartigen Geschmack und einer knackigen Oberfläche von Lebensmitteln bei. Deswegen sind Raucharomen („Smoke Flavourings“) bei Kunden und Herstellern von Lebensmitteln sehr beliebt. Letztendlich werden diese nicht mehr nur noch im Räucherprozess eingesetzt, sondern bringen auch vielen Lebensmitteln einen rauchigen Geschmack: Marinaden, Snackprodukten und Gewürzmischungen.
Rauchprodukte aus der Verkohlung von Holz tragen sind aus gutem Grund in der EU genau geregelt: Beim Räuchern entstehen bedenkliche Substanzen, die nicht in Lebensmittel auftauchen sollten. Dazu gehören Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffen (PAK). Diese können daher auch entfernt werden, wenn Rauch mit Wasser eingefangen und gereinigt wird. Alle Produkte, die heute als Raucharomen auf dem europäischen Markt eingesetzt werden, durchlaufen diesen Reinigungsprozess.
Der größte europäische Hersteller von Raucharomen ist in Südniedersachen beheimatet. Die proFagus GmbH in Bodenfelde, in der Nähe von Göttingen, produziert in der Bioraffinerie wertvolle Vorprodukte. Diese werden in einer neuen lebensmitteltauglichen Fabrik in Northeim weiterveredelt. Hier entstehen inzwischen jedes Jahr mehrere Tausend Tonnen, die weltweit eingesetzt werden. „Eine Bioraffinerie wie in Bodenfelde ist weltweit einzigartig. Die Technologie, die vor beinahe 100 Jahre von Degussa entwickelt wurde, beweist sich noch heute als sehr tragfähig“, findet Werksleiter Bernward Wosnitza.
Aber die Idylle ist in Gefahr: durch eine Änderung der Beurteilung der EFSA will die EU-Kommission die Unionsliste nicht verlängern. Plötzlich reicht es nicht mehr, die Sicherheit der Produkte durch Tests zu beweisen, inzwischen dürfen bestimmte Substanzen gar nicht mehr vorhanden sein. Das ist für Lebensmittelprodukte ein Spagat: Alkohol in Getränken, Röstprodukte in der Brotkruste oder Kaffee – viele Stoffe sind alleine betrachtet bedenklich, als Lebensmittel aber ein Genuß. Unter dieser Maßgabe wird es auch für traditionelles Räuchern eng. „Die Studien aus den vergangenen Jahrzehnten zeigen eindeutig, dass Raucharomen für die Verbraucher viele Vorteile haben und weniger gefährliche Stoffe beinhalten als traditioneller Rauch. Auch die Industrie nutzt die gereinigten Rauchprodukte bereits seit Jahrzehnten. Die Sicht der EFSA umfasst nicht alle heute verfügbaren Daten und sollte überarbeitet werden“, findet Dr. Frank Höfer, Geschäftsführer der Arbonium Technologies.
Die Umsetzung eines solchen Sinneswandels nutzt niemandem. Damit die Haltbarkeit von Lebensmitteln nicht leidet, muss die Industrie wieder auf alte Technologien zurück wechseln. Dr. Höfer ist erstaunt: „Einen solchen Rückschritt habe ich noch keiner Industrie erlebt.“ Auch die Verbände der Lebensmittelindustrie sind ratlos. Es deutet sich an, dass auch hier eine Verlagerung der Industrie aus der Europäischen Industrie droht. „Dann erreichen uns geräucherte Produkte eben aus dem Ausland, und das weniger gut kontrolliert als in Europa. Ein klassisches Beispiel gescheiterter Regulierung“, fügt Dr. Höfer an.
Am 24. April 2024 treffen sich die Mitgliedsstaaten zur Abstimmung über die neuen Bedingungen für diese Produktklasse. Die Industrie hat Vorschläge vorgelegt, wie sich eine bessere Regulierung für die Verbraucher erhalten lässt, und gleichzeitig die Lebensmittelindustrie in Europa nicht benachteiligt wird.
Trotz aller politischen Unterstützung in Deutschland konnte die EU-Kommission bisher nicht zu einer gemeinsamen Vorgehensweise bewegt werden.
Man darf gespannt sein, ob die EU auch hier einen Sonderweg einschlägt und die eigene Industrie mit international nicht etablierten Methoden benachteiligt. „Als Unternehmen kämpfen wir weiter: für die Verbraucher, die Lebensmittelindustrie und nicht zuletzt für die Zukunft unserer 180 Mitarbeiter“, schließt Dr. Frank Höfer.